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Arbeitsalltag

  • Autorenbild: jerusalemgang
    jerusalemgang
  • 18. Nov. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Hallo, nun sind wir schon eine ganze Weile hier und ich (Philipp) melde mich endlich auch mal zu Wort. Die beiden Damen haben bisher ja schon ganz hervorragende Berichterstattung über die verschiedensten Themen geleistet, ich werde nun ein wenig über unseren Arbeitsalltag erzählen. Wo fange ich da am besten an? Nun, vielleicht mit dem Motto, unter dem hier jedwede Arbeit zu stehen scheint, zumindest die unsrige und die unserer arabischen Mitarbeiter, welches lautet wie folgt: „shuei shuei“ , was Arabisch ist, und zu Deutsch so viel bedeutet wie: „ langsam, langsam“ oder „immer mit der Ruhe“. Dies bekamen wir an unserem ersten Arbeitstag gleich zu Beginn von Yacoub, dem arabischen Facilitymanager des Hauses, zu hören. Ihm unterstehen 5 weitere palästinensische Männer: Mohammad, ein kleiner, rundlicher Herr, dessen arabischer Kaffee äußerst schmackhaft ist, Ashraf, ein liebenswürdiger 2-Meter-Schrank, Johnny, ein kleiner flinker, hin und wieder mürrischer Kerl, sowie Bassam und Moris, zwei in mehreren Sprachen versierte Herren, welche die beiden Rezeptionen von Kirche und Propstei besetzen. Den meisten Kontakt haben wir aber mit Yacoub. Er ist gebürtiger Jerusalemer aus einer christlich- palästinensischen Familie. Seine Ausbildung hat er in Deutschland gemacht – irgendwo in Schwaben – weshalb er sehr gut Deutsch spricht (mit einem wundervollen schwäbisch-arabischen Akzent). Allgemein sind er und seine Mitarbeiter einfach eine sehr interessante, liebenswürdige und durchaus amüsante Truppe, mit der jede Arbeit Freude macht. Die Erlöserkirche beherbergt übrigens nicht nur die Deutsche Evangelische Gemeinde, sondern auch die Räume der arabischsprachigen ELCJHL – der Evangelical Lutheran Church in Jordan and the Holy Land – sowie der amerikanischen Luthergemeinde in Jerusalem. Zudem finden auch viele Veranstaltungen der Dänischen Gemeinde in „unseren“ Räumlichkeiten statt. Natürlich gibt es im deutschen Teil der Erlöserkirche auch ein paar deutsche Mitarbeiter; da wäre zum einen der Hausherr, der redefreudige Propst, der unikate Kirchenmusikdirektor Micha, die vielbeschäftigte Geschäftsführerin Barbara, und nicht zuletzt die beiden liebenswerten Sekretärinnen Sabine und Bilhan. Doch nun zu uns, was dürfen wir denn so tun? Nun, da wären so kleinere Nebenaufgaben, wie Protokoll schreiben, Rezeptionsdienste, Schreib- und Bastelarbeiten, Aufräumdienste usw., ... Kurz gesagt: Wir sind „Mädchen für alles“. Und dann unsere bisherige Hauptaufgabe: das Führen des hauseigenen „Café Kreuzgang“. In der ersten Arbeitswoche durften wir dieses nach 1½-jähriger Schließung erstmal wieder auf Vordermann bringen, was auch ganz gut lief, bis auf das, dass es, wie Yacoub so schön sagt, aufgrund eines Baufehlers die ganze Zeit von der Decke „bruselte“ und somit nach 5 Minuten alles wieder voller Dreck war. Eine Problematik, welche übrigens bis heute noch nicht behoben ist, ebenso wie der Umstand, dass unsere Eismaschine mehr Pfützen als Eiswürfel produziert. Aber manche Dinge sind hier eben, wie sie sind.

Das Café nach 1,5 Jahren Schließung...

... und nachdem wir alles wieder auf Vordermann gebracht hatten

Bei Eröffnung blieb ein großer Ansturm wie erwartet aus, da Israel seine Grenzen noch nicht wieder für Touristen geöffnet hatte – dementsprechend kamen an Wochentagen so 20, am Wochenende auch mal bis zu 50 Besucher. Das blieb auch die ganze Zeit über so. Dementsprechend waren wir zu dritt ziemlich unterfordert, also lasen wir, lernten Arabisch bzw. Hebräisch und vertrieben uns die Zeit mit weit weniger sinnvollen Dingen. Trotz der geringen Anzahl an Gästen durften Lea und Andrea jeden Tag einen Käsekuchen fürs Café backen, der auch immer sehr gut bei unseren Kunden ankam, trotz dessen, dass es jedes Mal wieder ungewiss war, ob der Kuchen eine gute Konsistenz haben würde oder man ihn nur als „kompletten Matsch“ bezeichnen könnte. Geschmeckt hat er allerdings wirklich jedes Mal, sodass wir uns fast immer freuten, wenn Stücke übrigblieben und wir am Ende unserer Schicht Käsekuchen essen durften. Nach spätestens drei Wochen konnten wir aber so langsam keinen Käsekuchen mehr sehen, auch wenn wir ihn jetzt, wo das Café zuhat, zugegebenermaßen doch ein wenig vermissen.

Allzeit bereit für die täglichen drei Kunden

So verging Tag für Tag und man war für jede noch so kleine Abwechslung dankbar. Ich hatte diesbezüglich Glück und durfte bereits dreimal im Café Auguste Victoria auf dem Ölberg, welches ebenfalls mit zur Erlöserkirche gehört, das allmittwöchige After-Work-Dinner mit zubereiten. Außerdem ergaben sich immer mal ein paar andere Möglichkeiten um dem stupiden Alltag zu bekommen. Beispielsweise durfte ich mit Yacoub mal einen kleinen Ausflug zum Flughafen nach Tel Aviv unternehmen, um einen Koffer umzutauschen, da unser lieber Kantor den falschen Koffer mitgebracht hatte. Eine weitere wöchentliche Nebenaufgabe darf jedoch nicht unerwähnt bleiben – das Putzen des Turmes (man stelle sich bitte einen düsteren Akkord vor). Diese Aufgabe ist bei uns äußerst beliebt – wer klettert denn nicht gern früh am Morgen 177 Stufen hoch und runter zwischen Staub, Federn und toten Tauben, um diese dann sehr sorgfältig zu entfernen… Nun ja, jeder hat eben sein Kreuz zu tragen.

Aussicht vom Turm der Erlöserkirche

Jetzt sind wir so ca. zwei Monate hier und hatten uns so langsam an den Arbeitsalltag gewöhnt, da wurde das Café aufgrund von Restaurierungsarbeiten im Kreuzgang wieder geschlossen. Pünktlich zur Öffnung der israelischen Grenzen für Touristen. Wir waren also wieder ohne Hauptaufgabe, alle anderen jedoch schwer beschäftigt. Somit gestaltete sich die Neusondierung unseres Aufgabenbereiches erst einmal zäh. Schließlich wurden wir mit der Entleerung der sich auf der Propstterrasse befindenden Blumenkästen (über 16m³) betraut. Dazu ergeben sich immer wieder kleinere Nebenaufgaben, wie die Kindergottesdienstbetreuung in Latrun oder die Organisation der Sankt-Martins- Veranstaltung. Genau kann man jedoch nie sagen was einen am nächsten Tag erwartet. Alles geschieht hier in geordneter Spontanität mit einer Prise „schuei schuei“ und führt stehts zu dem, wenn auch von außen meist wunderlich erscheinenden, gewünschten Ergebnis. Dadurch entsteht ein ganz eigentümlicher Charme, der diesen Ort ausmacht, und alle Anwesenden prägt.

Alles in Allem kann man sagen, dass wir uns gut eingelebt haben und das Leben im schönen Jerusalem mit all seinen Eigenheiten sehr genießen.


Unsere aktuelle Arbeit auf der Propstterasse


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