Eilat
- jerusalemgang
- 30. März 2022
- 9 Min. Lesezeit

Vom 06. bis zum 20. März 2021 hatte ich, Andrea, Besuch aus Deutschland von meiner Freundin Milena. Natürlich wollte ich ihr nicht nur meine Heimatstadt Jerusalem, sondern (in dieser kurzen Zeit so gut wie möglich) das ganze Land zeigen. Dementsprechend hatten wir ein sehr straffes Programm und reisten in den zwei Wochen, in denen sie da war, einmal quer durchs Land: Ein Gedi, Ramallah, Tiberias, Jerusalem und auch ganz in den Süden bis nach Eilat. Endlich ging es ans Rote Meer – darauf hatte ich schon die gesamten letzten sechs Monate hingefiebert, da mir das Rote Meer während meines ersten Besuches in Israel im Jahr 2015 mit am allerbesten gefallen hatte. Nachdem wir also zuerst zwei Nächte am Toten Meer (im Freien) geschlafen hatten, ging es am Mittwochmorgen (23.03.) mit dem Bus ganz in den Süden Israels. Der Bus war ein ziemlich moderner Reisebus mit bequemen Sitzen und WLAN, sodass die ca. zweieinhalb-stündige Fahrt von Ein Bokek am Toten Meer nach Eilat wie im Flug verging. Milena hatte die ganze Fahrt über geschlafen, da die Nacht zuvor nicht so erholsam gewesen war (wir wurden gegen ein Uhr nachts von unerwartetem Regen überrascht und da wir kein Zelt gehabt hatten, war es etwas unangenehm gewesen). In Eilat war es richtig schön warm und wir freuten uns über die Sonne. Von der Central Bus Station in Eilat zu unserem Hostel (dem Shelterhostel – ich hatte dort bereits in 2015 mit meiner Familie drei Nächte verbracht) waren es nur knapp 10 Minuten und als wir dort eingecheckt und uns ein wenig mit dem Rezeptionisten unterhalten hatten, liefen wir erstmal begeistert über das Gelände des Hostels. Ich war begeistert, weil alles immer noch genauso aussah wie vor fast sieben Jahren und Milena war begeistert, da sie sich auf eine ruhige Nacht in einem richtigen Bett sowie auf die Dusche freute.

Kaum war das Gepäck abgeladen, ging es noch kurz etwas fürs Frühstück/ Mittagessen einkaufen und dann auch schon direkt an den Strand. Dafür fuhren wir mit dem Bus bis an den letzten Strand kurz vor der israelisch-ägyptischen Grenze, den „Princess Beach“. Dort aßen wir zunächst etwas von unserem Proviant und sprangen dann ins kühle Wasser. Es war wirklich genauso schön, wie ich es in Erinnerung hatte und wir schnorchelten immer abwechselnd (wir hatten nur ein Schnorchelset und einer musste ja auch auf unsere Sachen aufpassen). Das türkisblaue Wasser, die schönen Korallenriffe und die bunten Fischschwärme machen das Rote Meer wirklich zu einem ganz besonderen Erlebnis.

Nachdem wir genug vom Wasser hatten, legten wir uns auf den Steg von dem aus man ins Wasser kommt, sonnten uns und spielten ein wenig Schach mit dem Reise-Spielset, welches wir am Tag zuvor für viel zu viel Geld in Ein Bokek erworben hatten. Das Schachspiel zog die Aufmerksamkeit von zwei jungen Männern auf sich, die dieses als Anlass nutzten, um uns anzuquatschen. Wir unterhielten uns eine Weile nett mit ihnen und sie erzählten, dass sie im Golan im Norden Israels wohnen und hier gerade ebenfalls Urlaub machen. Außerdem redeten wir noch ein wenig mit einem Soldaten, welcher als Reserveoffizier momentan in Eilat stationiert ist und ebenfalls zum Schwimmen an den Strand gekommen war. Ich bin eigentlich immer sehr dankbar für solche kleinen Begegnungen, da sie mir die Möglichkeit geben, ein wenig meine Sprachfähigkeiten in Hebräisch zu üben. Irgendwann entschlossen wir uns, zurück ins Hostel zu fahren, da wir immer noch etwas müde waren und am nächsten Tag auch relativ früh aufstehen wollten, um in die Wüste zu fahren. Als wir ins Hostel zurückgekehrt waren, lernten wir noch unsere Zimmergenossinnen kennen – fünf deutsche Mädels, die vor 10 Jahren ebenfalls Volontärinnen in diesem Land gewesen waren und seitdem regelmäßig für einige Tage oder Wochen hierhin zurückkehren, um Urlaub zu machen. Ich fand es richtig witzig herauszufinden, dass sie die Tage zuvor in Jerusalem im Johanniterhospiz geschlafen hatten und mit den Hauseltern Elsa und Michael ebenfalls per Du sind, sowie meine drei Lieblings-JoHo-Volontäre Anna, Sophie und Nathi kennengelernt hatten. Sowas kann einem auch wirklich nur hier passieren: Im Süden des Landes Deutsche treffen und sich dort mit ihnen über die gemeinsamen Bekanntschaften in Jerusalem unterhalten. Abends schauten wir nach der lang ersehnten Dusche noch einen Film, bevor wir gegen 22 Uhr ins Bett gingen. Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 7 Uhr und wir packten den Rucksack für unseren Trip zum Red Canyon in der Negev-Wüste. Ich war dort bereits vor sieben Jahren gewesen und hatte es dort sehr schön in Erinnerung. Als ich im Linienbus, welcher Richtung Red Canyon fuhr, dem Busfahrer unsere Wunschhaltestelle mitteilte, meinte dieser daraufhin nur: „Red Canyon… It’s actually not really red, you know?“ Diese Aussage wundert mich bis heute noch ein bisschen, da ich eigentlich schon finde, dass das Gestein dort ziemlich rot ist. Vielleicht macht es dem guten Herren aber auch einfach nur Spaß, unschuldige Touristen zu verwirren. 20 Minuten später stiegen wir also mitten im Nirgendwo bzw. mitten in der Wüste aus und liefen noch ca. 15 Minuten zu dem Parkplatz, von wo aus die offiziellen Wanderwege beginnen. Zu Beginn war uns richtig kalt, da wir mit dem Gedanken „wir fahren ja in die Wüste“ uns ziemlich kurz angezogen hatten und nicht mit solch einem starken Wind, der uns dort durchwehte, gerechnet hatten. Als wir im Canyon angekommen waren, merkte man davon dann allerdings gar nichts mehr, da die Felswände den Wind gut abschirmen. Zunächst liefen wir nur die kurze schwarze Route, die auf jeden Fall sehr cool und der schönste Teil des Canyons ist, da man dabei mitten durch den Canyon zwischen den riesigen (und auch wirklich roten) Felswänden läuft.

Außerdem muss man teilweise ein bisschen „klettern“ (es befinden sich Eisenstufen in der Felswand, welche den Anstrengungsfaktor schon sehr verringern). Diese Route hat man innerhalb von maximal 15 Minuten beendet und uns war das auf jeden Fall zu wenig Wandern. Darum liefen wir noch die zwei weiteren Routen, die tiefer in den Canyon hineinführen. Uns wurde von Nathi, welcher schon einige Wochen zuvor mit den anderen beiden Johanniter-Volos im Red Canyon gewesen war, erzählt, man brauche für diese Route(n) ca. vier Stunden – wir waren nach zwei Stunden wieder am Ausgangspunkt angekommen. Entweder Nathi hatte noch über einen weiteren Wanderweg gesprochen, oder wir rennen einfach zu schnell (oder beides zugleich :)). Wir genossen die Wüste auf jeden Fall sehr: Die besondere Natur, die Gesteinsformationen und teilweise bunten Felsen sowie vor allem die unglaubliche Stille der Wüste ließen die zwei Stunden wie im Fluge vergehen. Vor allem gegen Ende, als man wieder aus dem Canyon raus und nach oben wandern/ klettern musste, machte die Strecke richtig Spaß; nicht zu vergessen die atemberaubende Aussicht, die man über den Canyon hat, wenn man oben angekommen ist.

Bei all dem Staunen und vor allem aufgrund des trügerischen Windes zu Beginn hatten wir ganz vergessen, uns mit Sonnencreme einzucremen – das Resultat war natürlich ganz schön heftiger Sonnenbrand, der sich allerdings mittlerweile in eine ordentliche Bräune umgewandelt hat. Zurück an der Straße, wo uns der Bus auf der Hinfahrt abgesetzt hatte, trafen wir auf eine Gruppe junger osteuropäischer Wanderer, denen wir bereits zuvor im Canyon begegnet waren und die den Eindruck machten, als würden sie schon eine Weile auf den Bus warten. Wir gesellten uns zu ihnen und warteten auf den Bus, der laut Google in knapp 10 Minuten kommen sollte. Dies war auch der Fall – doch leider raste der Bus, aus welchem Grund auch immer, mit voller Geschwindigkeit an unserer Haltestelle vorbei und ließ uns ganz perplex am Straßenrand stehen. Nachdem alle Anwesenden sich eine Weile über den Bus bzw. seinen Fahrer aufgeregt hatten, überlegten Milena und ich, was wir jetzt tun sollten. Der nächste Bus sollte laut Google erst eine Stunde später kommen; der israelische Tourguide der anderen Gruppe meinte zu uns allerdings, dass manchmal auch schon 10 Minuten nach dem ersten Bus ein zweiter vorbeikommt. So entschlossen wir uns, zu warten – schließlich hatten wir ja auch gar keinen Zeitdruck. Als der versprochene zweite Bus allerdings ausblieb, setzten wir uns erstmal hin und aßen etwas von unserem Proviant, welchen wir während unserer Wanderung gar nicht gebraucht hatten.

Zuvor hatte ich schon die Idee gehabt, einfach zu trampen, allerdings fahren auf dieser Straße wirklich fast gar keine Autos und irgendwann fingen dann auch unsere Leidensgenossen an, die gleiche Idee in die Tat umzusetzen, sodass man sich nur gegenseitig behindert hätte. Die Versuche der Anderen, ein Auto zum Anhalten zu bewegen, waren wirklich sehr amüsant mit anzusehen, da einer der jungen Männer ein ganz schöner Spaßvogel war und irgendwann sogar anfing, einen 100-Schekel-Schein in der Luft herumzuwedeln, um so die Autofahrer anzulocken. Mit uns wartete noch ein mittel-altes jüdisches Ehepaar, was (nicht sehr verwunderlicherweise) relativ bald von einem Auto mitgenommen wurde. Diese Tatsache veranlasste unseren Alleinunterhalter dazu, irgendwann seine Maske als Kippa zu verwenden, mit der Begründung (bitte sich mit stark osteuropäischem Akzent vorstellen): „Maybe like this they will think I’m Jewish and stop for me as well!“ Und siehe da: vielleicht drei Autos, nachdem er seine „Kippa“ aufgesetzt hatte, hielt tatsächlich ein Wagen an – ob dafür wirklich seine Fake-Kippa der Grund gewesen war, sei mal so dahingestellt. Der Wagen wurde von zwei Soldaten gefahren, die hier an der israelisch-ägyptischen Grenze stationiert sind, und war zum Glück relativ groß, sodass sogar Milena und ich noch darin Platz fanden. Bei dieser interessanten Fahrt immer an der Grenze entlang (man fährt wirklich den Großteil der Strecke am Grenzzaun entlang und kann auf der anderen Seite die Militärstützpunkte Ägyptens sehen), erfuhren wir dann auch mehr über unsere sonderbaren Wanderfreunde: Sie sind professionelle Akrobaten aus verschiedenen osteuropäischen Ländern wie Russland, Ukraine, Litauen usw., die mit ihrer Show durch Israel touren und zu dem Zeitpunkt Aufführungen in Eilat gaben. Als Dank dafür, dass sie angehalten hatten, schenkte der „Anführer“ der Gruppe den beiden Soldaten Tickets für eine ihrer Shows und wir waren ein bisschen neidisch.

Nach dieser unvergesslichen Fahrt und einem kleinen Spaziergang vom Rand der Stadt, wo wir abgesetzt worden waren, zu unserem Hostel, packten wir unsere Taschen für den Strand und fuhren wieder zum „Princess Beach“. Dort angekommen, cremten wir uns erstmal ordentlich ein und verbrachten den Nachmittag wie am Vortag auch mit Schwimmen und in der Sonne liegen (wir sind in diesen drei Tagen wirklich sehr braun bzw. rot :P geworden). Am späten Nachmittag, als wir auf den Bus zurück zum Hostel warteten, entdeckten wir unsere Zimmergenossinnen, die den Tag ebenfalls am Strand verbracht hatten und nun auch dabei waren, sich auf den Rückweg zu machen. Als sie uns bemerkten, schlugen sie vor, uns in ihrem Mietwagen mitzunehmen. Dieses Angebot nahmen wir dankend an und das Resultat war die zweite sehr wilde Autofahrt des Tages: Zu siebt quetschten wir uns in den kleinen Fünfsitzer und so ging es mit Milena auf meinem Schoß zurück in die Stadt. Die Polizei erwischte uns zum Glück nicht, doch die Blicke von den Fahrern der Autos neben uns waren wirklich unbezahlbar. Nach dem Abendessen im Hostel hatten wir noch eine weitere interessante Begegnung mit einem italienischen Israeli namens Emmanuel. Dieser war am Nachmittag im Hostel angekommen und wohl etwas einsam – zumindest sprach er uns an, stellte ein paar merkwürdige Fragen wie beispielsweise ob der Konsum von Marihuana in Deutschland legal ist und bot uns schließlich, nachdem er gesehen hatte, dass wir ziemlichen Sonnenbrand hatten, Aloe Vera an. Die gelartige Flüssigkeit dieser Pflanze hilft tatsächlich sehr gut gegen Sonnenbrand und kühlt die Haut vor allem; trotzdem fanden wir es wirklich sehr merkwürdig und lustig, als er in sein Zimmer ging und mit einem Blatt der Pflanze wieder rauskam – so als hätte er extra eine solche Pflanze nach Eilat mitgebracht. Wir bedankten uns und machten uns dann auf unseren Weg in die Stadt, die wir uns noch ein wenig ansehen wollten, bevor wir am nächsten Tag aufgrund von Shabbat schon wieder relativ früh nach Jerusalem aufbrechen mussten. Emmanuel entschied sich zunächst, sich selbst einzuladen und uns zu begleiten. Nach ein paar Metern überlegte er es sich allerdings wieder anders und bog in eine andere Richtung ab, nachdem er uns einige Zeit wie ein anhänglicher Hund hinterhergelaufen war. Über seine Meinungsänderung waren wir nicht allzu traurig und so erkundeten wir noch eine Weile zu zweit die Stadt: Wir liefen ein wenig am Strand entlang zu einer großen Mall, bei der an diesem Abend laut unseren Zimmergenossinnen ein gewisser „Independence Day“ (Independence von was auch immer??) gefeiert werden sollte. Dort war tatsächlich ziemliche Partystimmung, doch wir wollten nicht das Risiko eingehen, dass Milena sich in der großen Menschenmenge mit Corona ansteckt. So erkundeten wir eine Weile zu Fuß das Nachtleben von Eilat. Man merkt wirklich sehr, dass die Stadt reich und auch sehr touristisch geprägt ist – Milena meinte Eilat erinnert sie total an ihre Urlaube in der Türkei. Aufgrund des Independence-Days gab es sogar ein Feuerwerk über dem Wasser des Meeres und dies alles, inklusive des warmen Wetters, versetzte uns schon ziemlich in Urlaubsstimmung.

Irgendwann schnappten wir uns dann noch zwei „Lime“-Roller – das sind elektrische Scooter, die am Straßenrand über die ganze Stadt verteilt stehen und mit denen man für 0,77 Shekel/ Minute durch die Stadt cruisen kann. Diese gibt es in vielen Großstädten, unter anderem auch in Tel Aviv sowie in vielen Städten Deutschlands. So fuhren wir damit noch ein wenig durch die Gegend, was wirklich Spaß machte. Gegen 21.30 Uhr waren wir dann wieder zurück im Hostel und gingen ins Bett, um am nächsten Tag für die Rückfahrt ausgeschlafen zu sein. Leider war unser letzter Tag in Eilat ein Freitag, sodass wir uns nicht trauten noch irgendetwas zu unternehmen, da wir uns nicht sicher waren, wie lange die Busse aufgrund von Shabbat zurück nach Jerusalem fahren würden. So nahmen wir Freitagmorgen von unseren deutschen Freundinnen und den Hostelangestellten Abschied (Emmanuel sahen wir „leider“ nicht mehr) und fuhren pünktlich um 9.00 Uhr los nach Jerusalem. Unser jüdischer Busfahrer, der mich beim Einsteigen mit den Worten „God is not love, He is work“ auf mein „God is Love“-T-Shirt angesprochen hatte, war eigentlich echt total nett und bot Milena in der Fahrtpause an, ihr eine Cola von der Tankstelle mitzubringen. Viel mehr Interessantes (bis auf die Landschaft, die natürlich immer total spannend zu beobachten ist), ist dann auch nicht mehr passiert und so endete unser Abenteuer gegen 15 Uhr im kalten und regnerischen Jerusalem. Ich habe mir auf jeden Fall fest vorgenommen, in meinen verbleibenden fünf Monaten hier noch mindestens einmal nach Eilat zu fahren!

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