Nordexkursion
- jerusalemgang
- 1. Okt. 2021
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Okt. 2021
Zwei Tage nach Ende unserer Einführungstage bzw. einen Tag nach Yom Kippur starteten wir bereits in unser nächstes aufregendes Erlebnis hier in Israel: Die Nordexkursion zusammen mit „Studium in Israel“.
„Studium in Israel“ ist eine Organisation, die es TheologiestudentInnen aus Deutschland ermöglicht, für ein Jahr ihr Studium an der Hebrew University in Jerusalem fortzuführen. Im Rahmen dieses Programms, welches unter anderem die Studiengebühren für alle Teilnehmenden deckt, werden auch Exkursionen innerhalb des Landes unternommen. Eine davon ist die 4-tägige Nordexkursion, welche sich über Galiläa und den Golan erstreckt. An dieser durften wir fünf Volos (Andrea, Lea, Philipp, Hiskeline und Ben) mitteilnehmen, was uns natürlich sehr gefreut hat.
Los ging es Freitag, den 17.09.2021, um 7.45 Uhr auf dem Kartaparkplatz in der Nähe des Jaffatores. Nach einer schnellen Kennenlernrunde, einem Corona-Schnelltest und dem Beladen des Reisebusses lernten wir eine ganz besondere Person der nächsten vier Tage kennen: Den TOM. „TOM“ ist die Abkürzung für „Tages-Ober-Macker“ und beschreibt einen der Teilnehmenden, welcher vor allem die Aufgabe hatte, Melanie an ihren Zeitplan zu erinnern und dafür zu sorgen, dass keiner unterwegs verloren geht. Der TOM wechselte dabei – wie der Name schon verrät – täglich. Melanie bzw. Frau Dr. Melanie Mordhorst-Mayer ist nicht nur eine der drei PfarrerInnen der Erlöserkirche, sondern auch die Studienleitung von Studium in Israel. Sie leitete dementsprechend auch zusammen mit ihrem Mann Haim die Exkursion. Nach einer ca. einstündigen Fahrt hielten wir das erste Mal an einer großen Mülltrennungsanlage, da Melanie uns zeigen wollte, wie der Müll hier in Israel gehandhabt wird. Diese war natürlich nicht sehr schön anzusehen und als wir aus dem Bus ausstiegen, stank es auch sehr stark. Der Müll wird dort in sehr kleine Teile geschreddert und mit Erde vermischt, welche dann als Blumenerde weiterverkauft wird. Die kleinen bunten Teilchen, die man hier also in der Blumenerde findet, sind dementsprechend einfach Plastik. Trotz des nur kurzen Aufenthaltes brachten wir eine große Anzahl an Fliegen mit in den Bus und der Geruch verfolgte uns auch noch eine Weile. Nach einer weiteren Stunde Fahrt kamen wir bei unserer ersten antiken Synagoge im Bet Alpha Nationalpark an. Zu dem Zeitpunkt war uns noch nicht so ganz bewusst, dass diese zwar unsere erste Synagoge dieser Art, definitiv aber noch lange nicht die letzte gewesen sein würde. Nach einem kurzen Picknick ging es direkt weiter in die nächste Synagoge im Kibbutz Maoz. Der Führer Jiftach erfreute uns nicht nur mit einer interessanten Erklärung der Überreste der Synagoge dort, sondern auch mit selbstangebauten Datteln und Oliven. Trotzdem machte uns die Hitze schwer zu schaffen und alle freuten sich schon sehnlichst auf das Schwimmen im See Genezareth am Abend. Davor stand aber noch eine weitere Synagoge in Magdala an.

Als diese geschafft war, waren es auch wir, sodass wir uns sehr darüber freuten, dass der nächste Programmpunkt übersprungen wurde. Melanie und Haim waren der Meinung, dass es keinen Sinn macht, uns von der Hitze geplagte junge Erwachsene noch weiter mit Informationen zu bombardieren und wir machten uns auf zum Hukok Beach. Sofort sprangen wir alle ins lauwarme, aber dennoch erfrischende Wasser und füllten anschließend alle unsere Wasserflaschen auf. Am „Campingplatz“, an welchem wir anschließend übernachteten, gab es nämlich kein fließendes Wasser und auch nur ein Dixiklo. Das Nachtlager namens Chenion Daliyot war im Prinzip nur eine Fläche im Wald, auf der wir unter freiem Himmel schliefen. Trotz der etwas anderen Umstände, die für ehemalige Pfadfinder natürlich keine Probleme darstellen, entstanden hier bereits während des Abendessens die ersten Gespräche zwischen Volos und StudentInnen. Hierbei erlebte ich (Andrea) den für mich coolsten Teil dieser Exkursion: Ich lernte Aaron und Luciana sowie Steffi und ihren Mann Samy kennen. Die vier sind nämlich ebenfalls freikirchlich und so verstand ich mich mit ihnen auf Anhieb super. Seitdem wir sie kennengelernt haben, waren wir (Lea und Andrea) bereits zweimal in ihrer messianisch-jüdischen Gemeinde, der Jerusalem Assembly, und verbringen vor allem viel Zeit mit Aaron und Luciana. Aber zurück zum eigentlichen Thema, der Nordexkursion: Bevor es gegen 23 Uhr ins Bett ging, wurden wir zunächst noch vor Skorpionen gewarnt, aßen zu Abend und lauschten der Abendandacht, die einer der Studenten abhielt. Die Nacht war einigermaßen erholsam, auch wenn ein paar am nächsten Morgen von dem nächtlichen Geheule von Schakalen und Hyänen berichteten. Skorpione haben wir glücklicherweise keine gesehen und so ging es am Samstagmorgen in aller Frühe um sechs Uhr los auf eine Wanderung durch den Golan.
Nachdem wir uns alle um 5.30 mühsam aus den Schlafsäcken gequält und das Nötigste für die Wanderung gepackt hatten (wir mussten zum Glück nicht das gesamte Gepäck mitnehmen), wanderten wir ca. eine Stunde nach Rugum el Hiri. Dies ist ein riesiger Steinkreis im Golan, der laut dem Archäologen Dr. Yitzhak Paz bereits in der frühen Bronzezeit errichtet worden war. Das schönste an der Wanderung war unseres Erachtens nach nicht das Frühstück mit Morgenandacht auf besagtem Steinkreis (auch wenn das natürlich ebenfalls supercool war), sondern der spektakuläre Sonnenaufgang, den wir von einer Erhöhung aus beobachten konnten.


Nach dem Rückweg und dem Beladen des Busses fuhren wir weiter nach Gamla zu unserer nächsten Wanderung. Da wir dafür bei ca. 35°C einen ziemlich steilen Berg mit steinigen Wegen zunächst runter und nach der Besichtigung einer – wer hätte es gedacht – Synagoge auch wieder hochwandern mussten, war dieser Teil des Programms mit Abstand der anstrengendste.

Trotzdem schaffte es jeder von uns ohne Hitzschlag und wir genossen das anschließende Picknick sehr. Nach zwei weiteren Synagogen hatten wir es endlich wieder zum besten Programmpunkt geschafft: Schwimmen im See Genezareth beim Campingplatz Tse’elon. Dieser war tatsächlich diesmal ein richtiger Campingplatz mit (dreckigen) Duschen, welche nach dem Schwimmen im See gut genutzt wurden. Nach Abendessen und Abendandacht sowie ein wenig Lobpreis mit Andreas neuen Freunden ging es ins Bett.

Schon sind wir an Tag drei unserer Exkursion – Sonntag, den 19.09.2021 – angelangt. Dieser begann für Lea, Andrea, Ben, Hiskeline, Aaron und Johannes (einem weiteren Studenten) um sechs Uhr morgens bei Sonnenaufgang mit einer Morgenrunde im See. Das Wasser war nicht so kalt wie erwartet und es war natürlich eine coole Erfahrung, so früh in aller Stille schwimmen zu gehen. Nach einer schnellen Dusche und dem Frühstück ging es los zum Benediktinerkloster Tabgha, wo wir an der katholischen Messe teilnahmen und anschließend noch eine Führung über das Gelände von einem der Mönche dort erhielten.
Anschließend folgte natürlich wieder einmal eine Synagoge. Dafür fuhren wir dorthin, wo Jesus unter anderem gewirkt hatte – nach Kapernaum. Anschließend ging es weiter in den Korazim Nationalpark, wo nach dem Mittagessen eine weitere antike Synagoge auf uns wartete.

In unserer nächsten Station, Tiberias, drehte sich ausnahmsweise Mal nicht alles um antike Synagogen; stattdessen besichtigten wir als erstes das Grab des Rabbis Meir Baal HaNes. Dieser soll zu Lebzeiten angeblich Wunder getan haben, weshalb viele Jüdinnen und Juden heute zu seinem Grab reisen um dort (zum Beispiel für Fruchtbarkeit) zu beten. Das Grab an sich war zwar bereits beeindruckend und eine willkommene Abwechslung zu all den antiken Synagogen, allerdings war das coolste dort, dass wir einer „Opshernish“-Zeremonie beiwohnen durften. „Opshernish“ ist eine jüdische Tradition, bei der jüdischen Jungen im Alter von drei Jahren das erste Mal die Haare abgeschnitten und nur die Schläfenlocken stehengelassen werden. Solch eine Zeremonie fand statt, als wir gerade gehen wollten – als der Rabbi, der die Zeremonie durchführte, sah, dass wir neugierig guckten, bat er uns in den Raum und wir durften den ganzen Ablauf sogar filmen. Natürlich war auch die Familie der beiden dreijährigen Jungs (Zwillinge) einverstanden und sie freuten sich sogar darüber, dass so viele Leute zusahen. Es wurde das Schofar geblasen, das jüdische Glaubensbekenntnis gesprochen und am Ende drückte der Rabbi uns ganz viele Bonbons in die Hände. Nach diesem interessanten Erlebnis spendierte Melanie uns allen noch ein Eis, bevor es weiter zur letzten Station des Tages – einem alten Amphitheater in Tiberias – ging. Dieses Amphitheater ist sogar unter israelischen Tourguides nicht sehr bekannt und leider auch nicht wirklich gepflegt. Wir gelangten dorthin, indem wir über einige Felsen inklusive Disteln und Dornen kletterten, da wir den richtigen Weg nicht fanden. Dafür waren die Überreste des Amphitheaters umso faszinierender und wir waren froh, den Umweg gemacht zu haben. Nachdem Johannes auf der Bühne des Amphitheaters noch eine kleine Showeinlage zum besten gegeben hatte, ging es zurück zum Bus und wir fuhren wieder zu unserem Campingplatz.

Es war schon dunkel, als wir dort ankamen, sodass wir nach dem Abendessen gegen 21 Uhr den Tag beendeten, wie wir ihn begonnen hatten: mit Baden im See Genezareth. Auch hier erzeugte die Stille in Kombination mit Fast-Vollmond und den Sternen eine unglaublich besondere Atmosphäre.
Müde, aber gut gelaunt starteten wir am nächsten Morgen (Montag, den 20.09.) in den letzten Tag unserer Exkursion. Nach dem Packen sowie der Morgenandacht und dem Frühstück am See fuhren wir zunächst eine Stunde zu den Überresten der Stadt Zippori. Bevor wir uns dort die nächste Synagoge ansahen, machten wir einen Rundgang durch die archäologische Fundstätte, wo wir vor allem die präzisen Fußbodenmosaike bewunderten. Nach dem Mittagspicknick ging es weiter zu der letzten Station unseres Ausflugs in den Norden: den Rabbigräbern in Beit Shearim. Wir besichtigten die Höhlen, in denen viele Rabbis begraben worden waren, wobei wir uns vor allem für den Rabbi Yehuda Hanasi interessierten. Er war nämlich einer der wichtigsten jüdischen Gelehrten des Altertums und vor allem von Bedeutung in Zusammenhang mit der Mischna, der ersten größeren Niederschrift der mündlichen Thora-Überlieferungen.

Gegen 15.45 Uhr nach einem kleinen Dattel-, Obst- und Kuchensnack ging es dann auch schon wieder los in Richtung „Heimat“, also nach Jerusalem. Eigentlich wäre hiermit dann dieser Bericht zu Ende, wenn sich nicht noch ein erwähnenswerter Zwischenfall ca. 30 km von Jerusalem entfernt ereignet hätte. An einer Tankstelle in der Nähe von Latrun gab es nämlich aufgrund einer besitzerlosen Tasche einen Bombenverdacht, sodass wir uns nach unserer Klopause ganz schnell hinter das Tankstellengebäude in Sicherheit bringen mussten. Glücklicherweise konnte unser Busfahrer Kamal den Bus vor Abriegelung der Tankstelle noch rausfahren. Kamal selbst war bei der ganzen Situation sowieso total entspannt: Mit den Worten „I have contacts, I have been officer in the army.“ zog er eine Reihe von Visitenkarten aus der Tasche (u.a. die von Naftali Bennett) und signalisierte damit, dass er die Situation ganz gut einschätzen konnte. Als dann tatsächlich ein „bomb disposal“-Roboter geholt werden musste, da kein Besitzer der Tasche gefunden werden konnte, waren wir aber sowieso schon einige Kilometer weiter auf der Autobahn. Bei diesem Ereignis war uns nochmal mehr bewusst geworden, dass in Israel die Terrorgefahr wohl doch alltäglicher ist, als wir es bisher mitbekommen hatten. Alles in allem sind wir trotz ihres unerwarteten Endes unglaublich froh und dankbar, auf dieser Exkursion mit dabei gewesen sein zu können und freuen uns schon auf alles Weitere, was dieses Jahr noch so für uns bereit hält!


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