Purim
- jerusalemgang
- 21. März 2022
- 4 Min. Lesezeit

Mitte März war es Zeit für das nächste jüdische Fest im Jahr: Purim stand an. Vom 16.-17. März waren die Straßen Israels voll von verkleideten, singenden und teilweise sehr betrunkenen Menschen. An Purim feiern die Juden, dass vor über 2000 Jahren die jüdische Königin Esther ihr Volk vor dem Genozid bewahrt hat. In der Geschichte spielen vor allem vier Charaktere eine große Rolle: Der persische König Xerxes, seine jüdische Frau Esther und die beiden Regierungsbeamten Mordechai und Haman. Der Inhalt in aller Kürze: Haman will das jüdische Volk komplett vernichten lassen, da er sich über (den jüdischen) Mordechai geärgert hat. König Xerxes gibt seine Zustimmung, doch Esther setzt ihr eigenes Leben aufs Spiel, um den König von dem Vorhaben abzubringen und so ihr Volk zu retten. Der Name Purim bedeutet „Lose“, da der Tag, an dem die Vernichtung stattfinden sollte (der 13. Adar, also der 13. Tag des sechsten Monats), durch Auslosung bestimmt worden war. An Purim gibt es, wie eigentlich bei jedem jüdischen Fest, viele Bräuche. Die beiden, die uns dabei am meisten aufgefallen sind, sind, dass man sich so wie bei unserem Fasching verkleidet und sehr viel Alkohol trinkt. Es gibt sogar ein ausdrückliches rabbinisches Gebot, sich so sehr zu betrinken, dass man die beiden Protagonisten Haman und Mordechai nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Dementsprechend trinken an den beiden Feiertagen Purims vor allem die ganzen ultraorthodoxen Juden sehr viel und in den ultraorthodoxen Vierteln Jerusalems wie Mea Shearim geht ordentlich die Party ab. Im Prinzip feiert man einfach nur sehr ausgiebig, dass das jüdische Volk nicht ausgerottet worden war. Des Weiteren ist es Tradition, in der Synagoge das gesamte Buch Esther, welches 10 Kapitel umfasst, laut vorzulesen. Das Ganze wird dabei sehr interaktiv gestaltet und immer, wenn der Name des Bösewichts Haman fällt, macht die gesamte Versammlung mit Rasseln, Tröten und Rufen so viel Krach, dass man den Namen nicht mehr versteht. Lea war an Purim bei solch einem Gottesdienst selbst mit dabei und erzählt weiter unten von ihren Erfahrungen. Aber auch ich, Andrea, habe von dem Fest natürlich einiges mitbekommen: Einige Tage vor Purim wurden auf den Dächern der Häuser an der Jaffa Street riesige aufblasbare und sehr bunte Tiere platziert, die man schon von weitem erblicken konnte.

Des Weiteren sah man an den Purimfesttagen die witzigsten Kostüme auf den Straßen Israels. Ganz hoch im Kurs sind natürlich die Kostüme des Königs bzw. der Königin, doch der Fantasie sind – wie auch an unserem Faschingsfest – keine Grenzen gesetzt. So saß ich auf der Zugfahrt von Tel Aviv nach Jerusalem einem „Sugar Daddy“ gegenüber, der sich mit ganz vielen Süßigkeiten beklebt hatte und sogar ein Schild mit der Aufschrift „Sugar Daddy“ inklusive seiner (oder irgendeiner) Handynummer umhängen hatte.

Da ich die letzten zwei Wochen Besuch von einer Freundin aus Deutschland gehabt hatte, waren wir am Donnerstag, den 17. März, unabhängig von Purim nach Tel Aviv gefahren. Es fuhren wirklich sehr viele verkleidete Leute mit uns im Zug nach Tel Aviv und auch der Bus in Tel Aviv selbst war vollgestopft mit Menschen in den kreativsten Kostümen. Als wir Donnerstagabend in Jerusalem mit der Straßenbahn nach Hause gefahren waren, stieg an einer Station ein als „Araber“ verkleideter Israeli (mit Kaffiyeh, dem Tuch, das arabische Männer auf dem Kopf tragen, und langem Gewand) ein, der singend und klatschend versuchte, ein wenig Stimmung zu machen. Ich fand es sehr witzig, doch leider der Rest der Straßenbahn nicht so, sodass der wohl schon leicht angetrunkene Mann der Einzige neben mir war, der Spaß an seiner Aktion hatte. Sehr viel mehr habe ich dann von Purim gar nicht mehr mitbekommen, da ich die große Party Donnerstagabend leider krankheitsbedingt verpasst habe. Dafür hat Lea umso begeisterter mitgefeiert: Am frühen Abend haben wir, Anna, Sophie, Nathanael und ich uns auf den Weg in eine Reform-Synagoge gemacht. Es stellte sich schnell heraus, dass es der „Geheim“-Tipp unter den Deutschen war, dorthin zu gehen - demnach waren dort tatsächlich mehr deutsche als einheimische Besucher. Die „Megilla“, der Teil der Mischna, in dem sich das Buch der Esther befindet, wurde auf Hebräisch vorgelesen. Immer, wenn der Name Haman fiel, haben wir alle mit viel Freude Krach gemacht.

Im Anschluss gab es vor der Synagoge noch die traditionellen ,,Hamanohren” (Hefegebäck gefüllt mit Mohn) und einen Shot zum Vorglühen. Wir sind dann noch einmal nach Hause und haben uns verkleidet, um dann mit den restlichen Volontären vom Ölberg noch auf die Jaffa-Street zu gehen. Die Straßen waren voll, es war gute Stimmung und alle waren verkleidet. Der jüdischen Markt Mahane Yehuda war komplett überlaufen, so etwas habe ich seit Corona nicht mehr gesehen. Wir haben uns ins Gedränge gewagt und bei guter Musik auf den Marktständen getanzt und mit allen gefeiert.

Auf dem Heimweg haben wir noch die verschiedenen Verkleidungen der Menschen um uns herum bewundert. Zuhause bin ich dann müde ganz beglückt eingeschlafen. Auch wenn wahrscheinlich kein anderes jüdisches Fest so bunt und laut gefeiert wird wie Purim, freuen wir uns auf jeden Fall schon sehr auf das nächste!

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